DDDr. Johann Kapistran (Wilhelm) Pieller OFM
Personalia
Ordensname:
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft 23.08.1943 - 15.04.1945, Ermordet am 15.04.1945
Mitgliedschaften
Lebenslauf
Der gebürtige Wiener Wilhelm Pieller absolviert zunächst vier Klassen am Gymnasium Wien IX (Wasagasse), muss mit 14 Jahren aber nach dem Tod des Vaters die Schule verlassen. Er absolviert dann einen einjährigen Handelsschulfachkurs. 1908–1909 ist er als Kontorist bei einer Uniformierungsanstalt in Wien tätig. 1909 folgt er seinem ursprünglichen Wunsch, Priester zu werden, und tritt in den Orden der Franziskaner in Graz ein, wo er den Ordensnamen Johannes Kapistran erhält. Nach dem Noviziatsjahr absolviert er vier Klassen der Oberstufe am Gymnasium in Hall/Tirol, wo er 1914 maturiert. Anschließend studiert er Theologie an den Universitäten in Graz und Wien. Nach seiner Priesterweihe 1918 übernimmt er Seelsorgeaufgaben in St. Pölten und ab 1924 an der Franziskanerkirche in Graz. Der Orden ermöglicht ihm die Fortsetzung seiner akademischen Ausbildung mit dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Graz, wo er 1927 zum Dr. rer. pol. und 1929 zum Dr. iur. promoviert.
Mit 33 Jahren wird er 1924 bei der Studentenverbindung Carolina aufgenommen und wirkt hier als Verbindungsseelsorger. Ab 1931 lebt Johann Kapistran Pieller bei den Ordensmitbrüdern in St. Pölten, wo er auch als Seelsorger im örtlichen Gefangenenhaus tätig ist. Von hier aus absolviert er ein Doktoratsstudium an der Theologischen Fakultät in Wien, das er 1937 mit dem Dr. theol. abschließt.
Nach verschiedenen Stationen im Dienste seines Ordens, so u. a. Jänner bis August 1940 als Kaplan in Maria Enzersdorf, wird P. Kapistran im August 1940 Guardian des Franziskanerklosters in Eisenstadt und Rektor der dortigen Klosterschule. Zusätzlich „obliegt ihm die Obsorge der Gruft des Fürsten Esterházy.“
1937 lernt er den damaligen Theologiestudenten Frater Benno OFM (den späteren Unteroffizier der Luftwaffe Eduard Pumpernig) kennen, der ihn im Herbst 1941 in Eisenstadt, nachdem er zur Wehrmacht eingerückt ist, mit Mitgliedern der späteren „Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs“ (AFÖ) in Kontakt bringt. P. Kapistran erklärt sich mit den Zielen der AFÖ einverstanden und ist bereit, sie aktiv zu unterstützen, u. a. in der Abfassung von Flugschriften gegen das NS-Regime. So z. B. das Flugblatt, das im März 1942 in Klagenfurt verteilt und beim Prozess als Beweismittel vorgelegt worden ist.
Den Kern der AFÖ bilden der Oberkärntner und Gurker Diözesanpriester Dr. Anton Granig (1901–1945), Leiter der St. Joseph-Bruderschaft in Klagenfurt zusammen mit dem ehem. Landtagsabgeordneten Karl Krumpl, beide gründen hier die lokale Widerstandsgruppe, zu der sehr schnell auch Eduard Pumpernig stößt. Treffpunkt der Gruppe ist das Elisabethinenkloster in der Völkermarkter Straße, wo Anton Granig wohnt. Mit ihren Wiener Kontaktleuten kommen sie im Wirtshaus „Pürstner“ in der Wiener Riemergasse zusammen. Die Flugblätter lässt Eduard Pumpernig im Wiener Franziskanerkloster drucken und in Klagenfurt verteilen. Die Gestapo wird auf sie aufmerksam und verhaftet im Februar 1943 die Wiener Verbindungsmänner der AFÖ. Am 19.3.1943 wird Karl Krumpl wegen Hochverrats festgenommen, es folgen am 3.6. Eduard Pumpernig und am 17.6.1943 Anton Granig.
Wegen Unterstützung der AFÖ wird am 23.8.1943 dann auch P. Johann Kapistran Pieller von der Gestapo in Eisenstadt verhaftet. Der Vorwurf lautet: Verfassung eines Flugzettels gegen die Nationalsozialisten, Abgabe von 150 Reichsmark an die AFÖ zur Propaganda gegen dieselben und Übergabe von zwei Revolvern samt Munition. Er verbringt mit den Mitangeklagten in der Haftanstalt Rossauer Lände (Elisabethpromenade) und im Landgericht Wien Monate in Ungewissheit. Im Gestapobericht ist zu lesen:
„Dr. Pieller, der bereits in der Systemzeit NS-feindlich eingestellt war und seine gehässige und niedrige Gesinnung auch nach dem nat. Umbruch nicht geändert hat, wird als unentwegter Staatsgegner übelster Sorte bezeichnet. Seine staatsfeindliche Tätigkeit war geeignet, eine Gefahr für das Wohl des Reiches herbeizuführen. Dr. Pieller ist im wesentlichen geständig.“
Am 11.8.1944 verurteilt ihn der V. Senat des VGH in Wien zusammen mit mehreren Angeklagten der AFÖ gem. § 80 u. 83 Abs. 2 u. 3, Nr. 1 u. 3 RStGB „wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung zum Tode und zum Ehrenrechtsverlust auf Lebenszeit“.
Begnadigungsversuche bleiben erfolglos. So muss P. Johann Kapistran Pieller zusammen mit den anderen Todeskandidaten bis zum 4.4.1945 im Todeskerker des Landgerichts ausharren, ob die Vollstreckung nicht mehr oder doch noch durchgeführt wird. Kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee in Wien wird P. Johann Kapistran Pieller am 5.4.1945 zusammen mit über 40 weiteren Todeskandidaten zu zweit aneinander gekettet (er wird mit seinem Provinzial P. Dr. Angelus Steinwender OFM zusammengekettet) auf Anordnung von Generalstaatsanwalt am OLG Johann Karl Stich (1888–1955) zu Fuß aus dem Wiener Landgericht über Stockerau nach Stein an der Donau getrieben, wo sie am 9.4. eintreffen. Ein Augenzeuge berichtet:
„Da sieh! … Wie sie paarweise aneinandergekettet aus dem Tore schreiten. … Der Zug der Todeskandidaten. in grauen Kluften, mit grauen, verfallenen Gesichtern. … Wesen, die noch nicht tot sind und nicht mehr leben.“
Am 15.4.1945 wird P. Johann Kapistran Pieller auf Befehl vom Gauleiter Niederdonau, SS-Obergruppenführer Hugo Jury (1887–1945), zusammen mit den anderen Gefangenen im Hof des Gefängnisses von Krems-Stein jeweils zu zweit von der SS mit Maschinengewehren niedergemetzelt. P. Johann Kapistran Pieller erhält seine letzte Ruhestätte in Stein in einem Massengrab. In der Wallfahrtskirche Maria Langegg werden beide Franziskaner als Opfer des Nationalsozialismus geehrt.
Die Oberstaatsanwaltschaft Wien teilt am 14.4.1964 mit, „dass sämtliche Akten aus dem Jahre 1945 vernichtet worden sind und über eine erfolgte Erschießung der genannten Personen keine Unterlagen vorliegen.“
Mit Unterstützung der Studentenverbindung Carolina Graz wird 1985 im Franziskanerkloster in Graz eine Gedenktafel angebracht und der Platz vor dem Kloster in Kapistran-Pieller-Platz umbenannt. Im Wiener Franziskanerkloster erinnert eine Gedenktafel an die beiden Franziskaner.
Orte
Wirkungsstätte:
Ehrung:
Quellen
- Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien), S. 254–256.