Voraussetzungen und Spezifika des österreichischen Widerstands
von Wolfgang Neugebauer und Stephan Roth
Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland im März 1938 stieß die Organisierung des Widerstandes auf große Schwierigkeiten: der kampflose Untergang Österreichs, die aus verschiedenen Ursachen resultierende Passivität der Westmächte, die totale nationalsozialistische Machtergreifung, brutale Verfolgungsmaßnahmen und die erzwungene Flucht Tausender potentieller NS-Gegner und Gegnerinnen wirkten sich ebenso negativ aus wie die weit über die NS-Sympathisanten und Sympathisantinnen hinausgehende pronazistische Jubelstimmung und anschlussfreundliche Erklärungen österreichischer Institutionen und Persönlichkeiten wie jene der österreichischen Bischöfe und des bekannten Sozialdemokraten Karl Renner.
Im Unterschied zu anderen besetzten Ländern agierte der österreichische Widerstand in einer zum Teil feindlichen, von Denunzianten und Denunziantinnen und fanatischen Regimeanhängern und Regimeanhängerinnen durchsetzten Umwelt.
Eine gemeinsame nationale Wurzel des Widerstandes war aufgrund der besonderen „nationalen“ Situation Österreichsweit verbreiteter Deutschnationalismus, sich erst entwickelnder Österreichpatriotismus - lange Zeit kaum vorhanden. Trotzdem kann man von einem „spezifischen österreichischen Widerstand“ sprechen, nicht zuletzt, weil organisatorisch eine nahezu völlige Trennung zwischen österreichischen und deutschen Widerstandsgruppen bestand. Dem NS-Regime standen, entsprechend der politisch-gesellschaftlichen Struktur Österreichs, zwei große potentielle Hauptgegnergruppen gegenüber, aus denen sich der Widerstand rekrutierte: die organisierte Arbeiterbewegung und das katholisch-konservativ-bürgerliche Lager. [...]
Quelle: Fritz, Herbert/Krause, Peter (2013): Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. (ÖVfStG, 2013) S. 59/60.