Gründung, Motivation und Ziele
von Maximilian Liebmann
Bei der „Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs“, des Weiteren nur AFÖ genannt, handelt es sich – das sei grundsätzlich vermerkt und ins rechte Licht gerückt – nicht um eine festgefügte, durchstrukturierte Organisation, wie etwa bei der Österreichischen Freiheitsbewegung um Roman Scholz, oder um einen klar nach Funktionen gegliederten Verein von Mitgliedern. Die AFÖ war eine offene Bewegung mit losem Zusammenhalt, was die breite Motivationsstruktur wesentlich begünstigte.
Was ihre Namensfindung und Namensgebung betrifft, heißt es in der Gedächtnisniederschrift von der Volksgerichtshofverhandlung über die Hauptakteure: „Bei Dr. Granig fanden wiederholt Besprechungen über Maßnahmen statt, die im Falle eines bösen Ausganges des Krieges in Kärnten zu ergreifen wären, um ein Chaos zu verhüten. Auch von einem organisatorischen Zusammenschluss von Kärntnern für diesen Fall wurde gesprochen. Dr. Granig soll als hierfür geeignete Bezeichnung den Titel Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs (oder Kärnten) vorgeschlagen haben.“
Die über diesen Volksgerichtshofprozess schriftlich festgehaltene Notiz, den zum Tode verurteilten Kärntner Priester Anton Granig betreffend, findet in den Berichten der Gestapo ihre Untermauerung. So heißt es im Schlussbericht der Gestapo: „Um auch die marxistischen Kreise für die staatsfeindlichen Pläne zu gewinnen, entschlossen sich Dr. Granig und sein Mitkämpfer Krumpl, die in Aussicht genommene Organisation unter dem Titel „Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs“ aufzuziehen.“
Im Gestapo-Bericht über Krumpl wird die gleiche Formulierung verwendet, und wie beim Gestapo-Bericht über Granig werden beide zusammen für die Namensgebung „AFÖ“ verantwortlich gemacht. Der aus Scheifling in der Obersteiermark gebürtige Gastwirtsohn und Franziskanernovize Eduard Benno Pumpernig, der zum engsten Kreis der AFÖ gehörte und bei jener denkwürdigen Besprechung auf Granigs Einladung in dessen Wohnung zusammen mit Ernst Ortner, einem Oberfeldwebel, teilnahm, präzisiert noch: „Wir haben diesen Namen sofort akzeptiert, weil der ‚Inhalt‘ so prägnant war und das zum Ausdruck gebracht hat, was wir überhaupt wollen.“
Der Zeitpunkt dieser folgenschweren Zusammenkunft mit der Namensgebung für die davor bereits konspirativ und subversiv tätige Personengruppe lässt sich auf Ende Februar/Anfang März 1942 eingrenzen. Die geistig-ideologische bis ins Organisatorische gehende Zentrale befand sich beim Priester Anton Granig, der in Graz zum Doktor der Theologie promoviert worden war, und bei dem im christlichsozialen Lager aktiv tätig gewesenen Karl Krumpl, der in der Ständestaatsära im Kärntner Landtag Sitz und Stimme hatte und Ehrenmitglied der MKV-Verbindung Babenberg Klagenfurt war.
Der Name „Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs“ war das konträre Gegenteil eines Decknamens, er sollte zwar geheim bleiben, aber nichts von dem verschweigen und verdecken, was die Bewegung zum Ziel hatte, und sollte zugleich den kleinsten gemeinsamen Nenner der aus weltanschaulich verschiedenen Lagern kommenden Mitstreiter darstellen.
[…] Bei der Erfassung dieser „gutgesinnten Österreicher“ wurden als Ansprechgruppen kirchlich-religiös engagierte Personen, sogenannte Klerikale, die Legitimisten, die ehemaligen Heimwehrangehörigen und die linksgerichteten Kreise ausmacht.
Die Kampf- und Agitationsziele der AFÖ lassen sich vom Fundamentalziel, „die Grundlagen des nationalsozialistischen Staates zu erschüttern und den Boden für die politische Neuordnung vorzubereiten“, ausgehend bündeln in: Übernahme der Führung im neuzubildenden Staat, Vorsorge für das Weiterfunktionieren der öffentlichen staatlichen Einrichtungen wie Bahn und Post, Fußfassung in der Deutschen Wehrmacht, „damit man auch über eine bewaffnete Macht verfüge“, Kontaktaufnahme und gegebenenfalls Zusammenarbeit „mit führenden Persönlichkeiten der aufständischen Slowenen“.
Was diesen neu zu bildenden Staat – sowohl sein territoriales Gebilde wie auch seine politische Führung – betrifft, war man innerhalb der AFÖ nicht so einig und festgelegt wie in der Negation des Bestehenden. Die Wiedererrichtung der Habsburger-Monarchie im Sinne einer Staatsform scheint in den Überlegungen zwar eine große, aber doch nicht jene zentrale Rolle gespielt zu haben wie die Errichtung oder Wiedererrichtung des Staates Österreich. Das territoriale Gebilde jenes neuen sogenannten Österreichs dachte man sich als Österreich unter „Einschluss Bayerns, Ungarns und Südtirols“.
[…] Zusammenfassend lassen sich die Ziele und Motive der AFÖ herausfiltern:
- Patriotisches Ziel bzw. Motivation: Freies und unabhängiges Österreich, wobei man unter Österreich ein Staatengebilde im Donauraum verstand, das Bayern und Ungarn mit einschloss, und damit ein klares Nein zum Anschluss zum Ausdruck bringt.
- Das religiös-christliche bzw. katholische Ziel und Motiv: Freies Wirken der Kirche und Glaubensentfaltung ihrer Mitglieder.
- Das Staatengebilde Österreichs bzw. in und mit Österreich soll der großen Staatenorganisation, den Vereinten Nationen, angehören.
Quelle: Liebmann, Maximilian/Schuschnigg, Heiner/Taus, Gerhard/Wolkerstorfer, Otto (2001): Für Staat und Kirche zum Tode verurteilt. Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreich (Wien)