Dr. Karl Wanner
Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft 13.03.1938 - Ende Juni 1939,
Gauverbot 1938,
Haft 08.02.1943 - 07.04.1945
Mitgliedschaften
Lebenslauf
Der Osttiroler Karl Wanner besucht das Bischöfliche Gymnasium Vinzentinum in Brixen. Nach der Matura studiert er Rechtswissenschaften in Innsbruck und wird dort bei der Studentenverbindung Tirolia Innsbruck aktiv. Während des Ersten Weltkriegs muss er sein Studium unterbrechen, wird zu den k. u. k. Kaiserjägern eingezogen und bringt es hier bis zum Leutnant. Das Studium beendet er mit der Promotion zum Dr. iuris in Innsbruck. Nach Anwalts- und Gerichtsjahr kehrt er in seine Heimatstadt Lienz zurück und eröffnet dort eine Anwaltskanzlei.
Während des Ständestaates ist er in den Wehrverbänden der VF tätig und später befehligt er als Bataillonskommandant den Osttiroler Heimatschutz. 1934 rückt er in Oberkärnten ein und beteiligt sich aktiv an der Niederschlagung des nationalsozialistischen Putschversuches.
Nach dem Anschluss wird Karl Wanner – und weitere Repräsentanten des Ständestaates – am 13.3.1938 verhaftet, nach Greifenburg überstellt und von dort am 29.3. nach Lienz verlegt. Hier muss er einen Schauprozess im Kinosaal erdulden, in dem er zu vier Jahren Haft „wegen Übertretung der Sicherheit“ verurteilt wird. Auf Grund eines sogenannten „Gnadenaktes des Führers“ wird das Berufungsverfahren vor dem Reichsgericht in Leipzig nach eineinhalb Jahren Haft eingestellt. Nach seiner Enthaftung Ende Juni muss er seine Kanzlei aufgeben und geht als „Gauverwiesener“ nach Wien. In Wien ist er „in verschiedenen Anwaltskanzleien als juristischer Hilfsarbeiter beschäftigt“, so die Gestapo – u. a. bei Rechtsanwalt Dr. Hans Gürtler.
Hier beginnt er mit der Untergrundarbeit und sammelt eine Gruppe Widerständler um sich, die sog. Lamberti-Runde, benannt nach dem Wiener Gastwirt Franz Lambert [heute: PÜRSTNER]. Er knüpft Kontakte zu der Kärntner Widerstandsgruppe, die sich 1941 um Pfarrer Anton Granig und den Landtagsabgeordneten Karl Krumpl gegründet hat und sich seit 1942 Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs (AFÖ) nennt. Auf sie ist Karl Wanner durch Flugblätter aufmerksam geworden, wo es u. a. heißt:
„Kärntner, unsere Heimat ist in Not! Braune Verbrecher haben unsere Heimat verraten […]. Kärnten und unser Österreich müssen wieder frei werden vom preußischen Joch. Alle einig gegen die braunen Verbrecher! Es lebe Kärnten!“
Er schließt sich mit seiner Gruppe der AFÖ an. Es werden gemeinsame Attentate geplant, so z. B. nach den Vorstellungen von Eduard Pumpernig „die gesamte Kärntner Gauleitung in die Luft zu sprengen“. Auch wird versucht, den im KZ Sachsenhausen inhaftierten Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg zu befreien. Nach längerer Observation durch die Gestapo und unterstützt durch das beschaffte belastende Material des eingeschleusten Konfidenten Karl Rumersdorfer wird die „Lamberti-Runde“ im Februar 1943 aufgedeckt. Hier über hält die Gestapo in Wien fest:
„Auf Anregung des Dr. Anton Granig fand am 15. März 1942 im Gasthaus des Franz Lambert […] eine Besprechung zwischen den Kärntner Gesinnungsgenossen und der Gruppe des Dr. Karl Wanner statt. An dieser, unter dem Deckmantel einer Teilnahme an der zur selben Zeit in Wien abgehaltenen Sportfischertagung veranstalteten Zusammenkunft nahm unter anderen Dr. Granig, Krumpl […] teil. Das Wort führte Krumpl. Er erklärte den anderen Anwesenden Zweck und Ziel der ‚AFÖ‘ und forderte sie auf, mit Gesinnungsfreunden in Fühlung zu treten, um sie zur Gruppenbildung zu veranlassen.“
Aus dem Tagesbericht der Gestapo Wien Nr. 5, 12.-15. 2. 1943:
„Die Genannten, welche während der Systemzeit in Österreich ausnahmslos der Heimwehr angehörten und als Gegner des Dritten Reiches staatspolizeilich bereits bekannt sind, kamen durchschnittlich einmal wöchentlich in einem Wiener Gasthaus als Stammtischrunde zusammen und gaben bei dieser Gelegenheit ihrer staatsgegnerischen Einstellung Ausdruck durch defaitistische Redensarten, Meckereien schlimmster Art und Verbreitung von Gräuelmärchen, deren Ursprung im Abhören des Feindrundfunks zu suchen sein dürfte.
Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass es sich im gegenständlichen Falle um eine reaktionäre Geheimorganisation handelt, die sich die Wiedererrichtung der österr.-ungarischen Monarchie unter der Regentschaft Ottos v. Habsburg zum Ziele gesetzt hat.“
Karl Wanner wird am 8.2.1943 vorläufig festgenommen und befindet sich bis 7.4.1945 „wegen separatistischem Hochverrat“ in Untersuchungshaft, wie Dr. Kaltenbrunner am 14.5.1943 anordnet:
„Er gefährdet nach dem Ergebnis der staatspolizeilichen Feststellungen durch sein Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem er sich durch Teilnahme an ständigen Zusammenkünften ehemaliger Heimwehrangehöriger, …wobei staatsabträgliche Reden gehalten, Gerüchte übelster Art und Nachrichten feindlicher Sender verbreitet wurden, staatsfeindlich betätigt.“
Bei den Einvernahmen wird er qualvoll misshandelt. Ihm und seinen 13 Mitangeklagten wirft die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vom 9.6.1944 vor:
„Anfang 1941 bildete sich in Wien unter der Führung des Angeschuldigten Dr. Wanner eine illegale Gruppe, die den Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates und die Losreißung der Donau- und Alpengaue vom Reiche sowie die Errichtung einer selbständigen österreich-ungarischen Monarchie unter Einbeziehung von Süddeutschland und Südtirol mit Otto von Habsburg als Herrscher anstrebte. Die Mitglieder dieser Gruppe waren überwiegend ehemalige Heimatschutz-Angehörige. Seit Frühjahr 1942 fand diese Gruppe Anschluss an die unter der Bezeichnung ‚Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs‘ (AFÖ) mit dem Sitz in Klagenfurt von dem katholischen Geistlichen Dr. Anton Granig […] und dem Privatbeamten und jetzigen Schützen Karl Krumpl (verfolgt in 7(8) J 208/43) aufgezogene Organisation, die sich zum Ziele setzte, alle gleichgesinnten illegalen Gruppen in den Donau- und Alpengauen aus dem Lager des ehemaligen Heimatschutzes der Christlich-Sozialen sowie der marxistischen Parteien zusammenzufassen.“
Die Hauptverhandlung im August 1944 findet ohne Karl Wanner statt. Karl Wanner selbst schildert diesen Vorgang wie folgt:
„Ich war […] unter dem Hitlerregime durch 3 1/2 Jahre in politischer Haft und zum Schluss sogar Volksgerichtshof-Todeskandidat […] in Wien, weil ich eine Widerstandsgruppe geführt und mehrere organisiert hatte. Leider ist eben diese Gruppe (die Lamberti-Runde) aufgeflogen und hat dieselben acht Hingerichteten zu beklagen. Die zwei anderen Gruppen, denen ich angehörte, waren reine Akademikergruppen; die eine im „Stieglbräu“ […] und die andere im „Dominikanerbräu“ (bestehend zum größten Teil aus ehemaligen CVern) sind trotz Bespitzelung nicht aufgeflogen, worüber ich sehr froh bin. Dem Todesurteil bin ich nur entgangen, weil ich auf der Gestapo durch einen Stahlrutenhieb über den Kopf schwer verletzt wurde und dadurch eine Gleichgewichtsstörung erlitt, welche mich in die geschlossene Abteilung der neurologischen Klinik brachte. Dort wurde ich von gleichgesinnten Akademikern (Ärzten und Pflegern) bis zum Zusammenbruch des Nazireiches zurückgehalten.“
Nach dem Krieg arbeitet Karl Wanner wieder als Rechtsanwalt und zieht sich nach seiner Pensionierung in die Heimatstadt Lienz zurück.
Orte
Wohnort:
Quellen
- Fritz, Herbert/Krause, Peter (2013): Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. (ÖVfStG, 2013), S. 577–579.
Photo: ÖVfStg